Lieber Christian,
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht - aber es wächst besser, wenn man seine Umgebung gut gestaltet.“
Das ist so eine „Weisheit“, die einen ja auch über andere Verhältnisse nachdenken lassen kann, die erlebbar sind, wenn man die Wirkung der Kultur der Natur, der „Pflege“ der Natur durch den Menschen im weitesten Sinne, versucht, zu beobachten.
Als Imker kann ich natürlich nicht den Honig machen - aber ich kann versuchen meine Völker so zu pflegen, daß sie einen guten Honig bereiten können.
Als Landwirt ist es ja ähnlich - Du kannst nicht die Milch Deiner Kühe machen oder das Getreide, das auf dem Feld wächst - aber Du kannst die Kuh oder das Feld so pflegen, daß es eine gute Ernte gibt und daß das geerntete oder gewonnene auch wirklich eine gute Qualität aufweist.
Du kannst den Lebensprozeß begleiten, der das alles hervorbringt - und Du kannst pflegend auf ihn einwirken (wobei man heute chemisch-synthetisch-technisch auch stark in den Lebensprozeß hineinwirken und ihn manipulieren kann, z.B. durch Spritzungen, Impfungen, Medikamente uam.).
Was interessant ist, daß man mit Bienen viele Manipulationen vornehmen kann, die mit anderen Tieren so gar nicht machbar wären. Z.B. die „Vermehrung“ kann bei den Bienen sehr weitgehend vegetativ vorgenommen werden (willkürliche Volksteilung, künstliche Königinnenzucht, Umweiselung, künstliche Besamung der Jungköniginnen und anderes mehr) - und doch bildet sich, wenn ich es als Imker nicht komplett verkehrt mache, immer wieder ein neues Volk. Das ist schon erstaunlich, denn die so vorgenommenen Maßnahmen sind weit entfernt von den normalen Lebensäußerungen und Abläufen von Bienenvölkern (gleich, ob ausgewildert oder unter imkerlicher Betreuung). Man kann die Bienenhaltung sehr weitgehend durchtechnisieren und gewissermaßen mechanisieren.
Ob sich das dadurch rechtfertigt, daß es „funktioniert“? Das ist eine Frage, die der Imker wohl für sich selbst (morgens vor dem Spiegel), gegenüber seinen Bienen, gegenüber seinen Kunden, gegenüber seinen Kollegen klären muß.
Wenn ich nun aber mit dem Eindruck, mit der Frage lebe, daß hinter den Erscheinungen, die sich durch die Lebendigkeit von Organismen (Lebewesen) zeigen, etwas Wesenhaftes, ein Wesen steht, werde ich mit diesen Fragen an mich selbst und darüber hinaus vielleicht anders umgehen (wollen oder gar müssen).
Ich will es im Moment dabei belassen, obwohl mir da noch viel in den Sinn kommt (zu viel für hier und auf einmal) - vielleicht kannst Du (und die, die mitlesen) etwas damit anfangen.
Herzlich
Der Bienenfreund